Von Waschenbach in die weite Welt
Darmstädter Echo: Unternehmen im Gespräch – Evolution an der Ladenkasse: REA ist Spezialist für bargeldlosen Zahlungsverkehr und industrielle Kennzeichnungssysteme
Im beschaulichen Mühltaler Ortsteil Waschenbach schreibt das 1982 gegründete Systemhaus REA eine erstaunliche Erfolgsgeschichte.
Für Jörg Pauly hat das Jahr 2013 gut angefangen. Der 45 Jahre alte REA-Geschäftsführer durfte am 22. Januar zu einer Preisverleihung nach Berlin reisen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband hatte den Wettbewerb „Kontaktloses Bezahlen“ ins Leben gerufen – und das südhessische Unternehmen hat in der Kategorie „Terminal-Performance“ den ersten Platz belegt.
Klingt kompliziert, ist aber schnell erläutert: Deutschlandweit ersetzen Sparkassen schon seit Längerem nach und nach alte EC-Karten durch neue mit der Zusatzfunktion zum kontaktlosen Bezahlen. Verbraucher müssen damit an der Kasse zunächst einmal ihre Karte für Kleinbeträge bis 20 Euro nicht mehr aus der Hand geben und wie bisher in ein Kartenlesegerät stecken, sondern lediglich an ein entsprechendes Terminal halten.
Zeitgewinn für Kunden und Einzelhandel
Pauly zufolge eine gute Idee: Es entfällt zum Beispiel die lästige Frage, wie man die Karte in ein Gerät zu stecken hat. Das Bezahlen geht damit schneller, was dem Einzelhändler, dem Bäcker oder dem Fahrkartenverkäufer wohl genauso recht sein dürfte wie dem Kunden. Und genau beim Thema Tempo hatten die Südhessen nun im Sparkassenwettbewerb die Nase vorn, dem Terminal „REA T5“ wurde „schnellste Zahlungsabwicklung und schnellster Ladevorgang“ bescheinigt.
Und wie steht es mit der Sicherheit? Verbraucherschützer und IT-Experten warnen davor, dass bei der sogenannten Nahfeldkommunikation (NFC) die Mikrochips der Karten von Unbefugten ausspioniert werden könnten. Pauly teilt diese Bedenken nicht. „Aus unserer Sicht ist die neue Chip-Technologie sogar sicherer als herkömmliche Bezahlsysteme mit Magnetstreifen.“ In der Rhein-Main-Region arbeitet REA bereits eng mit den Sparkassen aus Darmstadt und Dieburg zusammen, Angaben zu den erhofften Stückzahlen bei NFC-Geräten will Jörg Pauly derzeit aber noch nicht machen. „Wir stehen in den Startlöchern.“
Die Perspektiven jedenfalls sind verlockend: Bereits bis Ende dieses Jahres wollen die Sparkassen in Deutschland rund 30 Millionen dieser Karten an Kunden ausgeben. In Korea oder Japan gibt es diesen Trend des kontaktlosen Bezahlens schon seit acht Jahren, sagt Jörg Pauly. Gleichwohl erwartet er für Deutschland in dieser Frage keine Revolution. Schritt für Schritt werde sich die neue Technik breitmachen, ergänzt womöglich durch weitere „elektronische Geldbörsen“ wie etwa das Bezahlen per Smartphone.
REA-Geschäftsführer Michael Neuschäfer (45) vergleicht die Entwicklung im Zahlungsverkehr mit der Autoindustrie, wo Fahrzeuge mit Hybrid- oder Elektromotor in den kommenden Jahren einen immer größeren Marktanteil beanspruchen werden, ohne dass deswegen Benziner oder Diesel gleich von der Bildfläche verschwänden.
Neuschäfer und Jörgs Bruder Wolfgang Pauly (48) sind für das zweite große Standbein von REA verantwortlich: Industrielle Kennzeichnung und Barcode-Prüfgeräte: Ob der Pharma- und Chemiekonzern Merck, der Plexiglasspezialist Röhm oder der Reifenbäcker Pirelli – sie alle kaufen bei REA ein, weil sie zum Beispiel Produkte codieren wollen – entweder, weil eine Kennzeichnungspflicht besteht, oder um im eigenen Interesse die Produktion besser überprüfen zu können.
Schutz gegen Produktfälschungen
Datum, Uhrzeit, Chargen-Nummer, Schicht-Codierung: Ist zum Beispiel eine Medikamenten-Packung erst einmal vom REA-Tintenstrahldrucker oder einem Laser-System ausgezeichnet worden, hat das Produkt seine Anonymität verloren. Um beispielsweise Verbraucher vor gefälschten Arzneien aus dem Ausland zu schützen, sind diese codierten Informationen sehr wichtig – und natürlich bieten die Mühltaler auch die entsprechenden Messgeräte zur Barcode-Prüfung an.
In beiden Sparten laufen die Geschäfte offenbar sehr gut. Die REA-Gruppe entwickelt sich erfreulich, bestätigt Jörg Pauly. Die Zahl der Mitarbeiter am Standort Waschenbach hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, inzwischen setzen die 250 Mitarbeiter rund 35 Millionen Euro um. Um den vielen Technikern, Softwarespezialisten und Ingenieuren auch entsprechende Arbeitsplätze anbieten zu können, hat REA auch kräftig in Betongold investiert und die Bürofläche auf mittlerweile 7500 Quadratmeter ausgeweitet.
Und wie finanzieren die Geschäftsführer diese beeindruckende Expansion? „Einen Börsengang brauchen wir jedenfalls nicht“, stellt Jörg Pauly zufrieden fest. Das Familienunternehmen könne seinen Wachstumskurs aus dem laufenden Geschäft bestreiten – ein Zeichen für die Ertragskraft des Systemhauses.
Ungeachtet des harten Wettbewerbs will REA in diesem Jahr ein Umsatzplus von zehn bis 15 Prozent schaffen. Wobei das Unternehmen nicht um jeden Preis wachsen wolle, sondern die Zufriedenheit seiner Kunden und die Qualität der Produkte als Ziel Nummer eins definiert habe, wie die Geschäftsführer betonen. Die kniffligste Aufgabe sei das Finden von neuen, technisch versierten Mitarbeitern – mit internen Schulungen, eigener Ausbildung von Mitarbeitern sowie finanziellen Anreizprogrammen soll dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Gleichwohl ist der Name REA, der übrigens für Rationalisierung, Entwicklung und Automation steht, mittlerweile in vielen Ländern ein Begriff. Denn in allen relevanten Absatzmärkten hat das Unternehmen den Vertrieb seiner Produkte in den vergangenen zehn Jahren organisiert, teils mit eigenen Leuten, teils mit selbstständigen Vertriebspartnern. Die Exportquote der Gruppe liegt bereits bei 50 Prozent. Von Waschenbach in die weite Welt – eine südhessische Erfolgsgeschichte.
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